DRK-Präsident hofft auf Spenden
Seiters: Der Winter verschärft die Katastrophe in Syrien
Osnabrück. Ist die Gefahr durch Ebola gebannt? Führt die Vielzahl globaler Krisen nicht nur zu Abschottung, sondern auch zu nachlassender Hilfsbereitschaft der Bundesbürger? Dazu im Interview der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters.
Herr Seiters, Terror, globale Krisen, Flüchtlingsströme: Die Seuche Ebola mit inzwischen 8000 Toten scheint aus dem Blick zu geraten…
Ja, das stimmt. Das gilt für Ebola, aber mehr noch für den Bürgerkrieg in Syrien. Dort ist nicht nur das Gesundheitssystem zusammengebrochen. Die Situation auch in den Flüchtlingslagern ist katastrophal. Wir befürchten, dass sich die Lage gerade jetzt im Winter noch weiter verschlimmert. Wir hoffen auf Spendengelder, weil mittlerweile fast zehn Millionen Syrer vertrieben wurden. Rund sechs Millionen haben irgendwie Unterschlupf im eigenen Land gefunden. Aber 3,5 Millionen sind in die Nachbarländer geflohen, davon allein mehr als eine Million in den Libanon. Für ein Land wie den Libanon mit rund 4,5 Millionen Einwohnern ist das eine dramatische Situation und eine enorme Belastung. Was sich im Nahen Osten abspielt, ist eine humanitäre Katastrophe ungeahnten Ausmaßes, ohne dass sich eine Lösung abzeichnet.
Andererseits sieht es so aus, als gebe es in Westafrika durchaus Erfolg bei der Bekämpfung von Ebola...
Die massive Hilfe im Kampf gegen Ebola wirkt. Die Zahl der Neuinfektionen ist vor allem in Liberia drastisch zurückgegangen Aber für eine Entwarnung ist es zu früh. So lange es noch Erkrankungen gibt und das Ziel von null Neuinfektionen nicht erreicht ist, haben wir die Gefahr nicht gebannt. Wir sind in Sierra Leone und Liberia auf einen Einsatz mindestens bis Mitte des Jahres vorbereitet.
Erkrankte Helfer werden zur Behandlung in ihre Heimatländer geholt. Holen wir so Ebola in die Industriestaaten?
Eine solche Diskussion kann ich verstehen. Aber es gibt keinen Grund zur Panik. Die Helfer des Deutschen Roten Kreuzes sind extrem gut vorbereitet. Auch für jene, die vom Einsatz in Westafrika zurückkehren, gibt es eine umfassende Betreuung, um das Risiko zu minimieren.
Der Ebola-Beauftragte der EU will im Februar zu einer internationalen Konferenz einladen. Was erwarten Sie?
Ich begrüße diese Konferenz, aber sie muss zu konkreten Ergebnissen führen. Es geht um Strategien, aber auch um Finanzhilfe. Das ohnehin schwache Gesundheitssystem in Westafrika ist durch die Ebola-Epidemie praktisch zusammengebrochen. In vielen Krankenhäusern ist ein Normalbetrieb nicht mehr möglich, weil zum Beispiel Personal fehlt. Viele regionale Helfer – insgesamt fast 500 – sind an Ebola gestorben.
Was ist zu tun?
Eine große Herausforderung ist jetzt, diese Strukturen wiederaufzubauen. Es geht darum, dass wieder andere Krankheiten wie Malaria effektiv behandelt werden können oder auch wieder gewährleistet ist, dass schwangere Frauen in Kliniken ganz normal entbinden können. Die Konferenz muss an diesem Punkt ansetzen. Wir müssen ein Zeichen der Hoffnung setzen.
Sie haben die Halbierung der Spendeneingänge beklagt. Führt die Vielzahl der Katastrophen zu Abstumpfung?
Das sehe ich nicht so. Es gibt eine große Hilfsbereitschaft und Spendenfreudigkeit in der deutschen Bevölkerung. 2013 haben wir 64 Millionen Euro an Spenden bekommen – vor allem als Reaktion auf Naturkatastrophen wie die Flut in Süd- und Ostdeutschland und den Taifun auf den Philippinen. Im Jahr 2014, ein Jahr ohne Naturkatastrophen, liegen wir wieder im normalen Bereich und sogar über dem Ergebnis von 2012.
Die Spender schauen also sehr genau hin...
Ja, sie unterscheiden: 2014 dominierten der Bürgerkrieg in Syrien und die Ebola-Krise. Da halten sich viele zurück. Es werde ja doch wieder alles zerbombt, sagen sie im Fall Syrien. Und nur wenige Fernsehteams berichten aus Sicherheitsgründen vor Ort über Ebola. Es gibt also nur wenige emotionale Bilder, die die Herzen der Menschen erreichen. Umso dankbarer ist das Rote Kreuz für die Unterstützung durch das Auswärtige Amt, das uns für den Kampf gegen Ebola rund 20 Millionen Euro zur Verfügung stellt.
Anderes Thema: Sind wir in ähnlich prekärer Lage wie vor 20 Jahren, als Deutschland mit der Unterbringung von Flüchtlingen überfordert schien?
Als 1992 zu meiner Zeit als Bundesinnenminister über 440000 Menschen bei uns Zuflucht suchten, mussten wir das System der sicheren Drittstaaten und verfolgungsfreien Herkunftsländer im Asylkompromiss verankern. Sonst wäre unser Land überfordert gewesen. Was die Zahlen betrifft, sind wir mit 220000 Zufluchtssuchenden heute in einer besseren Lage. Aber in den letzten Jahren hatten wir weniger Zustrom, es wurden Kapazitäten für die Unterbringung abgebaut. Das ist heute das Problem von Ländern und Kommunen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die aktuellen Probleme gut gelöst werden können. Erstens ist Angst ein schlechter Ratgeber, und zweitens ist Deutschland ein starkes Land.
In Dresden hat Protest verhindert, dass ein Hotel Flüchtlingsheim wurde…
Grundsätzlich ist so etwas eine schlechte Nachricht. Aber jeder Einzelfall ist genau zu betrachten. Das DRK wehrt sich dagegen, Zufluchtssuchende in ausgedienten Baumärkten und damit in Gewerbegebieten unterzubringen. Das ist kein Ansatz für Integration.
Abschottungstendenzen geben der asyl-und islamkritischen Bewegung „Pegida“ Auftrieb. Lässt zugleich die Hilfsbereitschaft nach?
Das kann ich so nicht erkennen. Grundsätzlich ist die Hilfsbereitschaft sehr groß. Laut Umfrage des Allensbach-Instituts sind 87 Prozent der Befragten dafür, Menschen in Bürgerkriegen zu helfen und sie menschenwürdig aufzunehmen. Aber eine Mehrheit sagt auch, wirtschaftliche Gründe allein seien kein Grund, nach Deutschland zu kommen. Da wird genau differenziert.