Deutsches Rotes Kreuz bleibt länger im Ebola-Gebiet: Rudolfs Seiters im Interview in der Rheinischen Post
Die „Rheinische Post“ veröffentlicht heute folgendes Interview mit DRK-Präsident Dr. Rudolf Seiters:
Frage: Um Ebola ist es still geworden – ist die Bedrohung vorbei?
Seiters: Ebola ist in Westafrika längst nicht besiegt, auch wenn die Zahl der Neuinfektionen sich zuletzt positiv entwickelt hat, also stark rückläufig ist. Für eine Entwarnung ist es aber zu früh. Wir dürfen jetzt nicht nachlassen.
Frage: Die Epidemie könnte also jederzeit erneut Tausende von Toten fordern?
Seiters: Je stärker das Gesundheitssystem eines Landes ist und je besser die Bevölkerung über die Krankheit und entsprechende Präventionsmaßnahmen aufgeklärt ist, desto besser lässt sich ein Ebola-Ausbruch in den Griff bekommen. Denn letztlich ist Ebola weit weniger ansteckend als zum Beispiel eine Grippe. Ebola wird über direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten übertragen. Deshalb müssen rituelle Beerdigungen, bei denen Tote berührt werden, der Vergangenheit angehören. Aufklärung ist der Schlüssel, um erneute Ausbrüche einzudämmen.
Frage: Wie wollen Sie dazu beitragen?
Seiters: Das Deutsche Rote Kreuz wird auch nach Beendigung der akuten Nothilfe-Maßnahmen in Liberia bleiben und den Gesundheitsbereich unterstützen. So werden wir in den kommenden zwei Jahren dazu beitragen, die hygienischen Bedingungen in den Provinzen Margibi und Grand Cape Mount, die vom aktuellen Ebola-Ausbruch schwer betroffen waren, nachhaltig zu verbessern und die Gemeinden in Hygiene- und Präventionsmaßnahmen zu schulen.
Frage: Wie bedroht ist Deutschland?
Seiters: In Ländern mit hoch entwickelten und funktionierenden Gesundheitssystemen wie Deutschland ist Ebola keine wirkliche Bedrohung. Es wird hier zu keiner gravierenden Ebola-Epidemie kommen, weil wir funktionierende Sicherheitsmechanismen haben. Patienten werden isoliert und alle ihre Kontaktpersonen mit Hilfe der Behörden schnell und akribisch nachverfolgt und im Verdachtsfall ebenfalls isoliert, bevor das Virus weiter um sich greifen kann. Deutschland hat Notfall- und Katastrophenpläne auf die die Menschen sich verlassen können.
Frage: Wie sehr wächst die Gefahr durch den Ferntourismus?
Seiters: Wer gerne reist, sollte sich generell über sein Reiseziel informieren, insbesondere über mögliche Risiken. Gibt oder gab es in der Region bereits Fälle von Ebola, sollte man sich sehr genau über die Präventionsmaßnahmen informieren, vorbereitet sein und entsprechende Sicherheitshinweise beachten. Unsere Helfer etwa sind angehalten, nach ihrer Rückkehr aus dem Ebola-Gebiet drei Wochen lang, über die Dauer der Inkubationszeit, täglich zwei Mal Fieber zu messen. So kann bei einem Temperaturanstieg sofort ein Ebola-Test gemacht werden.
Frage: Was muss die Welt aus Ebola lernen?
Seiters: Wir dürfen die betroffenen Länder beim Aufbau eines funktionierenden Gesundheitssystems nicht allein lassen. Wesentlich ist auch, dass andere Erkrankungen aufgrund der Fokussierung auf die Behandlung von Ebola nicht unversorgt bleiben. Ein liberianischer Freund hat es so formuliert „Hier sterben viel mehr Menschen wegen Ebola als durch Ebola“. Darum haben wir als DRK in Liberia auch den Ansatz gewählt, in unserer Infektionsklinik eben genau Nicht-Ebola-Patienten zu helfen. Ebola-Symptome wie Fieber, Erbrechen, Kopfschmerzen oder Schüttelfrost treten auch bei anderen Krankheiten wie Thyphus, Malaria oder Meningitis auf. Diesen Patienten wird nämlich aus Angst vor Ebola der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen verwehrt.
Frage: Reicht die Zahl der Freiwilligen in Deutschland aus?
Seiters: Das DRK verfügt über einen Pool von rund 400 ausgebildeten Freiwilligen, die innerhalb kurzer Zeit aktiviert werden können. Durch den öffentlichen Helferaufruf haben sich zudem insgesamt 3652 Menschen telefonisch oder per Email über den Einsatz informiert. 1126 konkrete Bewerbungen gingen ein. Davon sind bisher 634 Personen grundsätzlich für den schwierigen Einsatz geeignet. Damit ist das DRK aktuell gut aufgestellt.
Frage: Was müssen Sie anders machen?
Seiters: Wie immer nach großen Einsätzen werden wir auch die Ebola-Nothilfe umfassend evaluieren, wenn sie abgeschlossen ist. Wir werden schauen, wo wir besser werden können. Kritische Selbstreflektion ist unerlässlich für unsere Arbeit. Das Besondere an diesem Einsatz war, dass vieles gänzlich neu für uns war. Erstmals haben unsere Helfer im Vollschutz unter diesen hohen Sicherheitsmaßgaben gearbeitet, auch mit der Kooperation mit der Bundeswehr in Liberia haben wir Neuland betreten.
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